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"Abnehmen wirkt wie eine Befreiung"

15. Oktober 2019
Lesezeit: 3 Minuten
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Übergewicht ist zumeist nur das äussere Symptom einer komplexen Erkrankung, hierzu gehört auch der Diabetes mellitus Typ 2. Mittlerweile liegen viele hochrangige Studien vor, die zeigen, dass in der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 eine operative Magenverkleinerung der medikamentösen Therapie bei geeigneten Patienten deutlich überlegen ist. So kann je nach Studie rund die Hälfte aller Patienten alle Medikamente absetzen, auch wenn sie zuvor hohe Dosen von Insulin spritzen mussten. Die Folgen des Diabetes wie Nierenschäden, Leberzirrhose, Gefässverschlüsse auch am Herzen oder Sehstörungen können damit verhindert oder verbessert werden.

Gewichtsoperation bringt Überlebensvorteile für Patienten

Eine deutliche Gewichtsreduktion verändert ebenso Gelenkbeschwerden sowie das sogenannte Schlafapnoe-Syndrom. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Entstehung von verschiedenen Krebserkrankungen, wie etwa Brust- oder Darmkrebs. Studien zeigen auch hier einen eindeutigen Überlebensvorteil der Patienten, die operiert wurden. In der Regel werden zwei Operationstechniken durchgeführt: der Magenbypass oder der Magenschlauch. Das vor mehr als zehn Jahren häufig eingesetzte Magenband hat an Bedeutung verloren. Es gibt auch neue Abwandlungen des klassischen Magenbypasses, den sogenannten Mini-Gastric Bypass.

Patientenbeispiel: Magenverkleinerung verhindert Beinamputation

Ein 50 Jahre alter Mann litt seit Jahren an einem Diabetes mellitus und musste Insulin spritzen, was sein schweres Übergewicht von 150 Kilogramm (BMI 42,9) zusätzlich verstärkt hat. Eine der Folgen war ein sogenannter Diabetischer Fuss. Charakteristisch hierfür sind nicht heilende Entzündungen am Fuss, die auch den Knochen betreffen können. Deshalb mussten bereits mehrere Zehen amputiert werden. Da die Entzündung nicht abheilte war bereits eine grosse Amputation geplant, die jedoch dank einer Magenverkleinerung mit einem Magenschlauch abgewendet werden konnte. Ergebnis: Nach drei Jahren Gewichtsabnahme auf 106 Kilogramm heilte nicht nur die Infektion ab, auch erübrigte sich das tägliche Spritzen von Insulin.

Für viele Patienten beginnt nach einer operativen Magenverkleinerung ein ganz neues Leben. Unterstützung ist weiterhin notwendig.

Dr. Sykora, was sagen Sie Menschen, die Vorurteile gegenüber Übergewichtigen hegen?

In den allermeisten Fällen sind diese vollkommen unbegründet. Übergewicht ist in der Regel genetisch veranlagt. Wir haben Hormone in unserem Körper, die viele von unseren Mechanismen wie das Hunger- und Sättigungsgefühl steuern. Es gibt Menschen, bei denen dieses Gefühl fehlgesteuert ist. Dies führt dann zu Übergewicht.

Kann man die fehlenden Hormone nicht medikamentös verabreichen?

Diese Möglichkeit gibt es nicht. Es handelt sich um ein komplexes Zusammenspiel aus sehr vielen Hormonen, von denen man viele noch nicht in Gänze kennt. Letztlich gibt es nur eine wirkungsvolle Form der Therapie und das ist die Operation.

Wie bedeutend ist die psychologische Unterstützung nach der OP?

Es ist enorm wichtig, dass in dem behandelnden Team auch Psychologen involviert sind. Denn viele Betroffene, die mit Übergewicht und Vorurteilen leben müssen, sind teilweise traumatisiert. Die Operation bewirkt eine immense Veränderung in ihrem Leben. Viele fragen sich, warum das Umfeld anders reagiert, obwohl sie dieselbe Person geblieben sind, nur mit einem anderen Körpergewicht. Das braucht psychologische Unterstützung.

Sind durch die OP grosse Gewichtsverluste möglich?

Innerhalb der ersten sechs Wochen ist ein Gewichtsverlust von zehn Prozent vom Ausgangsgewicht zu erwarten. Insgesamt sind im ersten Jahr sogar zwischen 30 und 35 Prozent normal. Das pendelt sich später bei rund 25 Prozent ein. Den Patienten fällt die Abnahme leicht, weil sich durch die Operation die Hormonantwort im Magen-Darmtrakt verändert hat. Diese Personen haben weniger Hungergefühl und sind mit kleinen Essportionen zufrieden.

Erhalten Sie Jahre nach dem Eingriff Feedback von den Patienten?

Die Frage «Warum habe ich das nicht früher gemacht» ist die häufigste Reaktion. Für die meisten Betroffenen ist die Abnahme wie eine Befreiung. Ganz abgesehen von den steigenden Berufschancen und einem ganz neuen Liebesleben. Alle Operierten tun alles dafür, um bloss nicht wieder auf das alte Gewicht zurückzukommen.

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